Die Entwicklung des Mühlensterbens in Deutschland
Geschrieben von Jan Wiedenroth: Mit beginn der Industriellen Revolution im 19. Jahrhundert, führte dieses auch in der Mühlenwirtschaft zu Veränderungen. Mit der Entwicklung der Dampfmaschine, löste die Dampfkraft die beiden klassischen Antriebsarten für Mühlen, die Wasser- und Windkraft ab. Gegenüber der Windkraft bot die Dampfkraft den Vorteil, dass sie wetterunabhängig ist und somit zuverlässig und nach Bedarf abgerufen werden kann.
Gegenüber der Wasserkraft, die nicht ganz so starken natürlichen Schwankungen unterworfen war wie die Windkraft, kam als Vorteil hinzu, dass keine Wasserrechte erworben werden mussten. Diese Vorteile wogen den Nachteil auf, dass die Antriebsenergie im Gegensatz zu Wind und Wasser nicht kostenlos zur Verfügung stand; der Brennstoff für den Dampfkessel (in der Regel Kohle) musste eingekauft werden.
Hinzu der Dampfmaschine kamen nach und nach Entwicklungen und Verbesserungen neuer Müllereimaschinen wie beispielsweiße der Walzenstuhl, Plansichter und die Getreidereinigung.
Diese Entwicklungen, die Dampf-, bzw. später die Motorkraft, zusammen mit den neuen Müllereimaschinen waren der Auslöser des Mühlensterbens.
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts bestand ein Mahlzwang, was bedeutete das jede Mühle einen festen Kundenstamm besaß bzw. die Bauern und Bäcker durften ihr Getreide nur auf einer bestimmten Mühle mahlen lassen.
Bis 1855 die Gewerbefreiheit eingeführt wurde, arbeiteten in Deutschland 54.000 Wind- und Wassermühlen, von denen der größte Teil jedoch Wassermühlen waren.
Das Resultat der Gewerbefreiheit war, das es zu einen deutlichen Aufschwung in der Mühlenindustrie kam. 1895 waren dann 72.891 Mühlen in Betrieb was sich aber in den nächsten Jahrzehnten ändern sollte. Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts begann auch das Mühlensterben welches in zwei Phasen eingeteilt wird.
Die erste Phase des Mühlensterbens begann damit das durch die Errichtung der Dampf-, bzw. Motormühlen, viele Wind- und Wassermühlen ihren Betrieb aufgeben mussten, da sie im Gegensatz zu den Neuzeitlichen Mühlen von den Naturkräften abhängig waren und auf Grund ihrer Gebäudesubstanz wenig Platz für eine Erweiterung des Maschinenparks boten, wenn sie weiterhin mit Naturkraft produzieren wollten.
Von 1882 bis 1907 war die Zahl der Kleinmühlen (in der Regel Windmühlen) von 57.000 auf 44.000 gesunken, hatte sich also um über 20 Prozent verringert. Während bei den Mittelmühlen ein Anstieg von 1600 auf 2000, also um rund 25 Prozent festgestellt wurde, hatte sich die Zahl der Industriemühlen von 33 auf 98 nahezu verdreifacht. Diese Tendenz sollte sich in der zukünftigen Zeit noch verstärken.
Nach Ende des ersten Weltkrieges, in der in Deutschland die Notzeit herrschte, waren wieder die kleineren Mühlen gefordert, da die Rohstoffe für die Industriemühlen auf dem Weltmarkt zusammengebrochen sind und die kleinen Mühlen ihr Getreide aus dem direkten Umland kaufen konnten.
Nachdem sich die Mühlenwirtschaft wieder normalisiert hatte, wuchsen die Großmühlen immer weiter, so das ein einziger Mühlenbetrieb einige hundert Tonnen Mehl am Tag produzieren konnte. Schon bald, in den 1920er Jahren gab es eine Mehlüberkapazität; bis 1939 sank die Zahl der Mühlenbetriebe auf 18.000, der Zusammenbruch des Mehlmarktes stand kurz bevor.
Um dieses zu verhindern führte der Staat eine Mehlkontingentierung ein, das heißt jede Mühle erhielt ihre feste Vermahlungsmenge, bezahlt feste Preise für das Getreide und erhält auch festgelegte Preise für das Mehl. Die Mühlen haben somit nur noch die Aufgabe den Markt zu versorgen, ein Konkurrenzkampf fand somit nicht mehr statt.
Im zweiten Weltkrieg können die Industriemühlen den Markt nicht mehr genügend mit Mehl versorgen, da Getreide aus Übersee nicht mehr angeliefert wurde, oder viele Mühlen zerstört worden sind. Nachdem nach Ende des zweiten Weltkrieges das Mehlkontingent wieder aufgehoben wurde, um genügend Mehl für die Bevölkerung herstellen zu können, begann in den 1950er Jahren das Spiel der Mehlüberkapazität erneut. Der Mehlmarkt war so überfüllt das viele kleine Mühlen Konkurs anmelden, oder ihren Betrieb schließen mussten, da durch die niedrigen Mehlpreise, die Produktion von kleinen Mengen unwirtschaftlich geworden war. Das zweite und große Mühlensterben hatte begonnen und sollte noch lange nicht zu Ende sein.
Der Staat griff ein weiteres mal ein, aber zu Gunsten der Großmühlen. Nachdem 1955 keine weitere Mühlen in Deutschland mehr errichtet werden durften, bzw. nur in Ausnahmefällen und bestehende Anlagen auch nicht mehr erweitert werden durften, wurde 1957 das Mühlenstilllegungsgesetz verabschiedet. Jeder Mühle die ihren Mahlbetrieb einstellte, wurde 9000 DM für jede Tonne/Tagesleistung gezahlt mit der Voraussetzung, das die Mühle 30 Jahre lang nicht zur Mehlherstellung betrieben werden darf. Somit wurde in vielen Betrieben die Einrichtung verkauft, weshalb auch heute viele Mühlen leer stehen.
Als kleine Anmerkung zur Entstehung des Mühlenstilllegungsgesetzes hierzu; der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer war verwand mit der Familie Wehrhan die bis 2014, mit zu den größten Mühlenkonzernen in Deutschland gehörte. Was ich hiermit sagen will, kann sich ja jeder vorstellen.
Noch einmal zum Vergleich; die Anzahl der zurückgegangenen Mühlenbetriebe der letzten 120 Jahre wobei ab 1990 nur die meldepflichtigen Mühlen verfasst sind mit einer Jahresvermahlung ab 500 Tonnen, also besteht noch ein kleiner Teil mehr gewerblich genutzte Mühlen als hier aufgeführt:
Jahr Mühlen
1855 - 54.000
1895 - 72.891
1939 - 18.000
1950 - 15.000
1960 - 6.400
1990 - 1400
2005 - 500
2015 - 261
Wie man in der Statistik sieht, gab es höchstwahrscheinlich in der Zeit des Mühlenstilllegungsgesetzes, die meisten Betriebsaufgaben in einer Zeitspanne.
Hallo, Unbekannter!
AntwortenLöschenDas ist ein sehr interessanter Bericht über eine sehr spannenden Zeit in D und Europa. Die Steigerung der landwirtschafltichen Erträge, besonders der Zuckerrübe, die Entwicklung der Zuckerverarbeitung und der Lebensmittelindustrie steht damit wohl im engen Zusammenhang.
Vielen Dank, Simone Seiboth - Quedlinburger Senf