1875, heutiges Gebäude 1995
Gebäudetyp
Holländer-Windmühle
Mühlenart
Getreidemühle
Betriebszustand
1952 den gewerblichen Betrieb eingestellt
Heutige Nutzung
Veranstaltungsgebäude
Geschrieben von Nicholas Wessel: In dem Lauenburgischen Dorfe, das der Elbe-Lübeck-Kanal von der Stadt Mölln trennt, stand seit altersher eine Wassermühle mitten im Ort. Im 14.Jahrhundert schon, werden diese und eine weitere Wassermühle erwähnt; 1341 verpfändete Otto Wackerbart den Kalandsbrüdern an der Möllner Stadtkirche zwei M.Reute aus der oberen Mühle; 1375 verschrieb Gherd Ghudow dem Kaland Dienste und Einkünfte. Noch zu Anfang des 20.Jahrhunderts hatte die Wassermühle Gebühren an die Möllner Pfarre zu zahlen. In dem Verzeichnis der Grundstücksverteilung bei der Verkoppelung werden bei dem Müller Johann Jochim Tiedemann erwähnt u.a. „Bei seinem Hause an der Südseite des Frachtweges“ und „die große Wiese bei der Mühle nordwärts der Straße“. Insgesamt betrug der Grundbesitz nach der Verkoppelung: 1.) an Hoffläche 2 M 36 R. 2.) Ackerland 31 M 31 R. 3.) Wiesen 17 M 22 R. 4.) Äquivalent für Wege und unbrauchbare Stellen 2 M 15 R.
Der Besitzer der Wassermühle, Joachim Ludolf Hardkop, kaufte 1875 von dem Vollhufner und Bauernvogt Hans Heinrich Meyer eine Parzelle aus der Hauskoppel „Achterkoppel“ um sich hier zusätzliche eine Windmühle zu bauen. Sie steht außerhalb des Ortes an der Landstraße nach Breitenfelde. Hardkop übertrug seinen gesamten Besitz 1885 an seinen Sohn Joachim Heinrich Christoph Hardkop. Im Wohnhaus wurde, wie bereits früher, die Schankgerechtigkeit ausgeübt.
1904 verkaufte Hardkop Wasser- und Windmühle für 36.000 Mark an Johannes Wilhelm Heinrich Friedrich Dittmer aus Rhena in Mecklenburg. Dittmer übernahm 8.500 Mark Grundschuld als Eigenschuld und zahlte 12.000 Mark bar während somit der Kaufpreis 15.500 Mark betrug. 1913 gab Dittmer die Alt-Möllner Mühlen auf und verzog nach Lübeck. Neubesitzer wurde Paul Evers, der sie bereits nach fünf Jahren an den Möllner Kaufmann Conrad Eduard Otto Michelsen veräußerte, der 1919 und 1923 weiteres Land zur Bildung eines Hofes hinzukaufte. Der umfangreiche Landbesitz ging 1940 auf dem Erbwege an Rudolf Marcellus Michelsen über, jedoch ohne die beiden Mühlen.1920 hatte die Wassermühle ihren Betrieb eingestellt. Zwei Jahre später trennte man sich von der Windmühle.
In den unsicheren Nachkriegsjahren wechselten die Besitzer in schneller Folge. Der Landmann Hans Heinrich Wilhelm Winterberg aus Breitenfelde behielt sie nur vom 6. bis zum 19.Mai 1922. Adolf Kulsch, Müller, war Eigentümer bis zum 15.08.1923, worauf sie der Kaufmann Theodor Reich aus Alt-Mölln übernahm. Schon am 18.07.1924 erwarb der Müller Bernhard Vissen die Mühle. Die Zeiten hatten sich gebessert und Visser verblieb für viele Jahre auf der Alt-Möllner Mühle; bis er 1937 auf schreckliche Art ums Leben kam.
Der Volksmund berichtet hierzu, daß der Müller, als er eines Abends leicht beschwingt auf seinem Motorrad heimkam,eine Eisenstange über der Schulter trug. In der engen Einfahrt streifte die Eisenstange eine Stallwand, schwenkte herum und drehte Vissen den Hals um.
Danach war der Kaufmann Friedrich Karl Tode aus Mölln Besitzer bis 1940. Die Ölfirma Tode am Möllner Hafen leitet heute sein Sohn. Seit 1940 gehörte die Windmühle dem Getreidekaufmann Karl Heinz Greifel aus Dalldorf. Mit den beiden windgetriebenen Schrotgängen und dem Motormahlgang (zuerst Diesel- später Elektromotor) arbeitete sie noch bis 1952. Dann wurde sie einem ganz anderem Schicksal zugeführt.
Auf einer Autofahrt nach Westdeutschland hatte Greifel an der Autobahn Hannover-Köln (bei der Porta Westfalica) eine flügellose Windmühle gesehen, die zu einem originellen Restaurant umgestaltet worden war. Er entschloß sich, ähnliches mit seiner eigenen Mühle zu versuchen, zumal sie sehr verkehrsgünstig an der Alten Bundesstraße 207 lag. 1955 wurde der Umbau vollzogen. Um Platz für den Gastraum zu schaffen, wurden Gänge, Getriebe und alles Zubehör herausgenommen. Der Gastraum wurde von Greifel sehr originell eingerichtet. Zusätzlich verkürzte man die Flügel um 3 Meter, legte die Kappe fest, erhielt jedoch die Flügelwelle; die Windrose wurde entfernt. Mühle und Anbau waren mit Reth gedeckt (1962 erneuert).
Am 01.04.1980 geht die Windmühle in den Besitz von Walter und Karin Hense, die sie im Inneren neu gestalten und die umliegenden Flächen ausbauen. Anschließend wird sie wieder gastronomisch genutzt. Die Familie Hense haben sich finanziell übernommen und müssen die Mühle am 25.02.1985 an die Kreissparkasse Herzogtum Lauenburg überschreiben. Sie wird im Zuge der Zwangsversteigerung von dem Kaufmann Hans-Joachim Pirschsteigerwald aus Trittau ersteigert, der den gastronomischen Betrieb jedoch unverändert weiter durch Hense`s durchführen läßt.
In der Nacht vom 27. auf den 28.November 1985 wird durch Brand die Mühle bis auf die Grund-mauern zerstört. Das Wahrzeichen von Alt-Mölln brannte lichterloh - die Windmühle konnte nicht mehr gerettet werden. Die Brandursache ist bis heute nicht geklärt.
Pirschsteigerwald sah keine Möglichkeit eines Wiederaufbaus und veräußerte über seinen Hamburger Grundstücksmakler am 20.01.1987 die Ruine nebst dem kleinen vom Brand verschont gebliebenen Wohngebäude an den Hamburger Kaufmann Nicholas, H.H.M. Wessel. Der neue Besitzer begann in den Archiven nach Aufzeichnungen und Bauzeichnungen der Windmühle Alt-Mölln zu suchen, wird fündig und stellt 1993 den Bauantrag für einen Wiederaufbau und erteilt den Auftrag an den alt erfahrene Mühlenbau H.J. Zecher aus Wittenburg. Zecher erstellt in nur sechs Monaten Bauzeit die Mühlenkappe, Flügel und Windrose. Wessel legte besonderen Wert darauf, daß die Mühlenkappe und ihr Maschinenraum originalgetreu rekonstruiert sind. Über 20 Tonnen Eichenbalken wurden hierfür herbeigeschafft und in Handarbeit verarbeitet. Die neu eingebaute Flügelwelle stammt von einer Mühlenruine aus Mecklenburg-Vorpommern. Die Flügel werden wegen der erforderlichen Elastizität aus Lerchenholzbalken angefertigt und haben nun wieder die Original Länge von jeweils 11 Metern. Zimmerleute aus Ratzeburg und Mölln erstellten den Mühlenturm. Für den Turmaufbau wurden zusätzlich annähernd 50 m³ Festholz verarbeitet. Unter Anleitung eines Dachdeckermeister aus dem Rheinland ist die Dachabdeckung mit Naturschiefer ausgeführt worden. Für die Außenfassade und einem Teil im Innenausbau sind 80 Tonnen Granit von 8 Steinmetz-Gesellen in 4 Monate Arbeitszeit vermauert. Wessel und sein Partner Franz-Werner Eller nutzten jede freie Minute um an den Vorbereitungen für Planung, Ausführung und Gestaltung mitzuwirken.
Am 22.04.1995 wurde die alte nun neu errichtete Windmühle bei einem großen Dorffest zusammen mit der Alt-Möllner Gemeinde eingeweiht; sie erhält den Namen Wessellermühle Alt-Mölln.
Der Mühlenturm wird nun privat genutzt und das Erdgeschoß bietet für Veranstaltungen vielseitige Möglichkeiten. Seit 1996 ist die Mühle wieder für Hochzeits- oder Geburtstagsfeiern, Firmenpräsentationen oder Ausstellungen für die Öffentlichkeit freigegeben. Seit 1999 können vom Standesamt Breitenfelde auch Eheschließungen in den Erdgeschoßräumen vereinbart werden.
Foto: Olaf Wagner
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