Ursprungsgebäude 1893 als Brauerei
Gebäudetyp
Früher Brauerei, danach Kraftfutterwerk
Mühlenart
Futtermühle
Betriebszustand
Am 13.02.1985 den Gewerblichen Betrieb eingestellt
Geschrieben von Florian Butt: Die Geschichte des Anton Höing beginnt nach dem ersten Weltkrieg. Im Jahre 1919 kam er nach Verden und übernahm schon 1921 die Geschäftsleitung der Verdener Eierverwertungs-Genossenschaft mit Sitz in der Bahnhofstraße. Er war zuständig für den Ein- und Verkauf der Eier im Großraum der Stadt Verden, aber auch weit über die Grenzen hinaus, wie auch in den Bezirken Sulingen, Hoya, Diepholz, Rotenburg, Visselhövede und weiteren Bereichen des Bundeslandes. Während seiner Geschäftstätigkeiten mit den Bauern, entwickelte Höing den Gedanken, den Handel mit Futtermitteln aufzunehmen, dies war zunächst was Neues für ihn aber er bemerkte rasch, dass sich diese Lücke in der Futterversorgung sehr gut zu Geld machen lässt. Zusammen mit ein paar Kollegen macht er sich daran, ein Körnerfuttergemisch herzustellen, welches regen Anklang gefunden hatte. Die Nachfrage nach seinem ersten "Kraftfutter" wuchs so stark an, dass er sich entschied, die Dampfmühle an der Lindhooper Straße in Verden zu kaufen und dort das Körnerfutter in größeren Mengen und maschinell zu produzieren. Am 10. August 1921 gründet er die Firma "Anton Höing - Getreide und Futtermittel".
Doch auch bald stößt Höing auch mit der Mühle an die Grenzen, die Kapazitäten können der großen Nachfrage nicht mehr gerecht werden. Es bot sich für ihn die günstige Gelegenheit, im Jahre 1931 die alten und stillgelegten Produktionsanlagen der ehemaligen Bierbrauerei Wiederholt am Brunnenweg zu übernehmen und richtete die Anlagen zur Körnerfutterproduktion ein, eine schon vorhandene Mühle aus dem Brauereigebäude wurde aufgearbeitet, um erste Schrote herstellen zu können. Durch die gewonnenen Kapazitäten an Silo- und Lagerraum, konnten nun Futtermittel in größeren Partien produziert werden. Sein Tätigkeitsbereich bei der Eiervermarktung endete mit der Übernahme.
Schon fünf Jahre später, 1936, gelang ihm der Erwerb der ehemaligen Delmenhorster Mühlenwerke, einer großen Industriemühle, die ihren Betrieb eingestellt hatte und konnte auch an diesem Standort seine Mischungen herstellen und vertreiben lassen. Da einige Mahlwerke in der Mühle noch vorhanden waren, war es Höing möglich sein Futterprogramm zu erweitern, es wurden nun neben den Körnerfuttermischungen für Geflügel und Küken auch Schweine- und Rinderfutter, sowie Legemehle für Hennen hergestellt. Großzügige Absackeinrichtungen und große Lagerhallen ermöglichten gute Kapazitäten. Die Delmenhorster Anlagen sind somit auch als Hauptsitz der Firma eingetragen worden, das Werk in Verden wurde dann kurzzeitig zur Zweigniederlassung.
Doch 1939 kam der große Rückschlag: Das gut laufende Werk in Delmenhorst fiel in staatliche Hände und diente den Machthabern des Nationalsozialismus als Versorgungslager. Höing geht zurück in die Verdener Produktionsanalagen und konzentriert sich nun auf den weiteren Auf- und Ausbau des dortigen Werkes. Dies gelingt ihm in den ersten Kriegsjahren sehr beeindruckend gut. Er bekommt für seine Produktionsanlagen einen eigenen Gleisanschluss mit Be- und Entladegleis, sowie eigene Abstellgleise für Getreide- und Futtermittelwagen. Außerdem werden die mehr oder weniger provisorisch eingerichteten Produktionsanlagen erheblich modernisiert und erneuert, es entstehen weitere Silo- und Speicheranlagen, es werden Schuppen für die Lagerung von Futtermitteln und Komponenten gebaut und es entsteht ein modernes Mühlengebäude mit Schrotgängen. Doch während des Krieges bricht die Versorgung des Werkes mit Komponenten und Getreide fast komplett zusammen, mit den wenigen Lagerbeständen und den sehr knappen Lieferungen an Rohware wird sparsam umgegangen, zeitweise der Betrieb nur auf die Herstellung von Körnerfutter und Konzentraten umgestellt, um den Betrieb so lange wie möglich am Laufen zu halten. Das kriegsbedingt nicht mehr zur Verfügung stehende Personal der Firma muss zeitweise durch Kriegsgefangene ersetzt werden.
Dieses Foto muss wohl in den 30iger bis 40iger Jahren entstanden sein. Foto: Florian Butt |
Auch dieses Foto muss in den 30iger/40iger Jahren entstanden sein. Foto: Florian Butt |
Nach dem Kriege bekommt Höing die ehemalige Produktionsstätte in Delmenhorst zurück, konzentriert sich aber nun nur noch auf das Verdener Werk, er verpachtet die Anlagen an die Deutschen Maizenawerke und baut seinen landwirtschaftlichen Einzugsbereich stetig aus, sodass er schon nach kurzer Zeit in alle Bereiche Norddeutschlands liefert und einen festen Kundenstamm aufgebaut hat. Nach weiteren Umbauten ist es nun auch möglich, die Produktpalette um ein Vielfaches zu erweitern, so wurden in den ersten Nachkriegsjahren bereits erste Kraftfuttermittel für Kaninchen, Pferde, melassiertes Rinderfutter und spezielle Eiweißgemische auf den Markt gebracht. So ist das Kraftfutterwerk Höing eines der ersten in der Bundesrepublik, das pelletiertes Kraftfutter anbietet und Höing steckt gewaltiges Eigenkapital in die stetige Instandhaltung und Modernisierung des Werkes.
Zwischen 1952 und 1958 ist das Kraftfuttermischwerk das modernste seiner Art im gesamten Nordwestdeutschen Raum, ein Prädikat, das Höing halten will. Es wird ausgezeichnet mit dem Gütesiegel für Verbandskraftfutterwerke der Rassegeflügelverbände. Doch am 10. April 1958 verstirbt der Firmengründer plötzlich und hinterlässt neben seiner Familie sein Lebenswerk und 300 Mitarbeiter. Die Verdener nahmen mit reger Anteilnahme Abschied von einem königlichen Kaufmann und einem wahren Kämpfer, der gerade zu den Zeiten des Krieges, scheinbar Unmögliches vollbracht hat. Nach der Klärung der Formalitäten und der Umwandlung der Geschäftsform in eine Kommanditgesellschaft, stieg Höings älteste Tochter in die Geschäftsleitung ein und führte das Werk ihres Vaters mit dem gleichen Grundsätzen fort.
Noch im gleichen Jahr begannen die Planungen zur erheblichen Modernisierung und Erweiterung der Silo- und Produktionskapazitäten. 1959 entstand ein neues Verwaltungsgebäude. In einer Bauzeit von 18 Monaten wurde das gesamte Werk auf eine Lochkartensteuerung für die Mischanlage umgestellt und viele weitere Arbeitsprozesse automatisiert. Zwei Leistungsstärke Hammermühlen und eine weitere Pelletpresse werden angeschafft.
Die seit Ende des Krieges vorhandenen Lastwagen für gesackte Futtermittel werden mit 15 Silowagen für lose Futtermittel ergänzt. Somit steht ein Leistungsfähiger und zu der Zeit moderner Fuhrpark zur Verfügung. Desweiteren entstand ein neues Silogebäude für die Aufnahme von Fertigfutter und damit verbunden eine Verladeeinrichtung für die Silozüge. Neben dem Werk entstand eine große Stückguthalle mit Absackvorrichtungen und Lagermöglichkeiten. Neben dem in den 50er Jahre erbauten Beton-Röhrensilo entstand eine Halle mit einer Großraumannahme, die zugleich von Straßenfahrzeugen und Eisenbahnwaggons beschickt werden konnte.
Neu im Programm sind nach eigenen Entwicklungen in Auftrag gegebene Futtersilos, Stallausrüstungen und komplette Fütterungsanlagen für Küken- und Schweineställe, auf Versuchshöfen werden neue Futtersorten erprobt. Hierzu wird ein werkseigenes Labor für die Auswertungen und Analysen eingerichtet.
Das Werk 1965. Foto: Florian Butt |
Nach Abschluss dieser Maßnahmen, wurde das Werk am 1. April 1967 an die Firma Georg Plange, mit Sitz in Bremen verkauft. Weitere Geschäftsanteile gingen an die Bremer Rolandmühle Erling & Co. und an Kurt A. Becher, ebenfalls Bremen. Der Verkauf änderte aber nichts an der Wirtschaftlichkeit des Betriebes, es waren keine negativen Auswirkungen zu spüren, im Gegenteil, das Einzugsgebiet konnte erheblich ausgeweitet werden und der Handel mit Getreide konnte durch den Rückhalt der Anteilseigner noch erweitert werden. Auch mussten die Produktions- und Lagerkapazitäten den ständig wachsenden Tierbeständen angepasst werden, es entstanden weitere Silos zur Aufnahme von ca. 2500 Tonnen Komponenten und 1000 Tonnen Fertigfutter, eine vollautomatische Verladeanlage und die Mahl-, Misch- und Pressanlagen wurden auf den technisch neusten Stand gebracht.
Foto: Florian Butt |
In den Jahren 1969 bis 1970 riss man das alte Mühlengebäude zwischen dem Röhrensilo und dem Bürogebäude komplett ab und errichtete ein komplett neues Maschinenhaus mit der dritten Pressenlinie. Zwischen der Produktionsanlage und der Lagerhalle wurde eine Lauf- und Bandbrücke aufgestellt. Nun konnten lose Futtermittel mit den neu angeschafften Absackanlagen direkt in der Lagerhalle gesackt und aufgepackt werden. Die Produktpalette umfasste nun 40 Sorten der Marke HÖING, es wurden weitere 12 Silotankzüge angeschafft.
Foto: Florian Butt |
Im Jahre 1971 konnte das Werk auf ein erfolgreiches 50jähriges Bestehen zurückblicken. Aus der Festschrift kann man entnehmen, dass die Jahreskapazität bereits bei 130.000 Tonnen Fertigfutter lag, dieses wurde an 650 Kunden ausgeliefert. Bis weit in die 80er Jahre liefen die Geschäfte so gut, dass man kurzzeitig ein Mischfutterwerk in Nienburg-Leeseringen als Zweigniederlassung übernahm, dieses aber schon nach zwei Jahren an Bruno Fehse verkaufte.
Zum 50. Jubiläum wurden die LKW's festlich geschmückt. Foto: Florian Butt |
Zum 50. Jubiläum wurden die LKW's festlich geschmückt. Foto: Florian Butt |
Zum 50. Jubiläum wurden die LKW's festlich geschmückt. Foto: Florian Butt |
Der Standort in Verden war immer noch eines der modernsten Kraftfutterwerke, aber die Konkurrenz rückte nach, ein weiterer Ausbau des Werkes war unumgänglich gewesen und die Planungen wurden in der ersten Hälfte der 80er Jahre begonnen. Doch zur Umsetzung der Pläne kam es nicht mehr. Am 13. Februar 1985 wurde das Werk Hals über Kopf geschlossen, nachdem die Firma Georg Plange in Konkurs gegangen ist. Helmut Samson, Müllermeister und ehemaliger Betriebsleiter berichtete: "Wir durften nicht einmal die Anlagen und Maschinen leerfahren, der Betrieb musste sofort gestoppt werden. Niemand wusste was los war, LKW´s wurden nicht mehr be- und entladen und dann wurde uns gesagt, was los war..."
Die Mühle in den 80iger Jahren. Foto: Florian Butt |
80iger Jahre: Ein Müller am Schaltschrank. Foto: Florian Butt |
80iger Jahre: Futterabsackung. Foto: Florian Butt |
Lagerarbeiten in den 80iger Jahren. Foto: Florian Butt |
Ein Käufer für das Werk wurde dringend gesucht, aber aufgrund der Tatsache, dass die Erweiterungskapazitäten bald ihre Grenzen erreicht hätten, sahen einige Interessenten doch von einem Kauf ab. Schließlich kaufte Mühlenbauer Alfons Goldenstein aus Verden 1988 das Areal mit der kompletten technischen Ausstattung und ließ alle verwertbaren Maschinen ausbauen und weiterverkaufen.
Heute befindet sich der gesamte Komplex im Besitz eines Steuerberaters, der auch seine Büroräume im ehemaligen Verwaltungsgebäude hat. Der völlig entkernte und im Innenbereich verwahrloste Komplex aus Kellergeschossen, Silos, Betongerippen und Produktionsgebäuden wird aber wieder teilweise von Firmen benutzt, die sich hier eingemietet haben.
Von der Mühlentechnischen Einrichtung sind nur noch Reste vorhanden, zwei große, stehende Mischmaschinen, ein hölzerner Siloaspirateur von Baumgarten und eine Unmenge von Stahlbehältern und Elevatorstümpfen.
Foto: Florian Butt |
Foto: Florian Butt |
Foto: Florian Butt |
Hier befanden sich einmal die Einläufe der Silozellen. Foto: Florian Butt |
Ein alter Ventilsack für Hühnerfutter. Foto: Florian Butt |
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