Baujahr/Ersterwähnung
1297
Gebäudetyp
Wassermühle
Mühlenart
Getreidemühle
Betriebszustand
1972 den gewerblichen Betrieb eingestellt
Heutige Nutzung
Wohnhaus
Die Oebelsmühle in Lechenich war eine der vielen in dieser Region seit alter Zeit betriebenen Getreidemühlen. Als solche hatte sie Bestand bis zum Jahr 1972. Nach 1982 erfolgte der Umbau zu der heutigen, privaten Wohnanlage.
Das aufwendig restaurierte, imposante Bauwerk, heute „Oebels Mühle“ genannt, hat seinen Ursprung in mittelalterlicher Zeit. Es stand auf einem Gelände, welches schon lange der Grundherrschaft der Kölner Kirche unterstand. Zum Zeitpunkt ihrer Ersterwähnung war die Mühle im Besitz des Kölner Erzbischofs Siegfried von Westerburg, der der Ortschaft Lechenich im September 1279 städtische Privilegien verliehen hatte.
Nimmt man die Niederberger Mühle, deren Reste einer sehr frühen Getreidemühle nach jüngstem Erkenntnisstand in karolingische Zeit (833) datiert wurden, zum Vergleich, so scheint auch bei der Oebels Mühle eine sehr frühe Errichtung möglich zu sein.
Die Mühle wurde aufgrund ihrer Lage (am oberen Lauf des Baches, sowie als Pendant einer weiteren, der „Unteren Mühle), im Jahr 1293 als die „Obere Mühle“ in Lechenich bezeichnet. Dies geht aus einem Verzeichnis der Einkünfte des Erzbischofs hervor, das den für diesen Zeitraum gültigen und vereinnahmten Pachterlös von 40 Malter Roggen angab.
Die erzbischöfliche Mühle wurde im Lauf der Jahrhunderte wiederholt durch Krieg oder Stadtbrand zerstört (1642, 1689, 1722), jedoch immer wieder aufgebaut. Derartigen Verlust traf jedoch nicht den Grundherren, sondern den jeweiligen Mühlenpächter. Ihm oblag es, laut vertraglicher Abmachung, im Schadensfall den Wiederaufbau auf eigene Kosten vorzunehmen. Einer Bittschrift um Pachtnachlass wurde in Härtefällen meistens von dem Grundherrn entsprochen. Bei außergewöhnlichen Unglücksfällen gab es für den Wiederaufbau der Mühle einen Zuschuss der kurfürstlichen Hofkammer.
Ab dem 18. Jahrhundert bestand die Pacht nicht mehr aus abgeführten Naturalien, die Mühlen wurden nun an den Meistbietenden gegen Geld verpachtet.
Bis 1642 hatte nur ein Mühlenpächter beide, die obere und die untere Mühle, zur Pacht erhalten. Nach 1642 war die obere Mühle die einzige Getreidemühle, die untere wurde dann als Ölmühle bewirtschaftet. Pächter der Getreidemühle nahmen bis über das Ende des 18. Jahrhunderts hinaus Rechte und Pflichten als Müller einer „Zwangsmühle“ wahr und verarbeiteten das Getreide der dem Lechenicher Mühlenbann unterliegenden Bauern. Dieses 1158 eingeführte Gesetz des grundherrlichen Gewerbebannrechtes zwang die Erzeuger, ihr Korn ausschließlich in dieser Mühle mahlen zu lassen. Für seine Arbeit und Kosten behielt der Müller einen Teil des Mahlgutes zurück.
Die Angaben zu den einzelnen Mühlenbetreibern sind spärlich. So soll 1820 eine Wassermühle, gelegen zu Lechenich, die als Stadtmühle bezeichnet wurde, verkauft oder verpachtet worden sein. Angeboten wurde in einer Offerte eine doppelte Mahlmühle, sowie eine Ölmühle nebst einer Wohnung, einer Scheune und Stallungen. Auch eine Brennerei wurde angeführt. Es wurde darauf hingewiesen, dass alles in Stein erbaut sei und von zugehörigen Gärten, Baumgärten, einigem Ackerland und Wiesen umgeben sei.
1827 wurde die in ihrer Beschreibung mit obiger Offerte identische Lechenicher Liegenschaft des zu Kaarst wohnenden GutsbesitzersJohann Mathias Decker zum Verkauf angeboten. Sie wurde bewohnt und benutzt von Margarethe Decker, der Tochter der Eheleute Decker. Als Erstgebot wurde die Summe von 2000 Talern angeführt.
Der dann folgende Müller der „Stadtmühle“ war Benedikt Dünbier. Er stellte 1831 einen Antrag zur Errichtung eines zweiten Wasserrades, dem durch die Verwaltung stattgegeben wurde. Neben den üblichen Dienstleistungen einer Getreidemühle bot er auch landwirtschaftliche Produkte seines Hofes an. Überdies soll er, als Neuerung, noch im gleichen Jahr fein gemahlenen Gips offeriert haben. Der Grund einer 1844 im Amtsblatt der königlichen Regierung erschienenen Verkaufsanzeige, in welcher das Mühleninventar angeboten wurde, ist nicht bekannt. Feilgeboten wurden in diesem Inserat neben Haustieren wie Ackerpferden, Kühen und Schweinen, auch deren Futtermittel wie Rüben und Kartoffeln und überdies Ackergeräte, eine Kutsche und Mobiliar des Hauses. Wohl als aufschlussreichstes Indiz der damaligen „Hofstruktur“ war die ebenfalls in der gleichen Anzeige angebotene Ausstattung einer Brennerei anzusehen.
Um das Jahr 1860 erwarben Theodor Oebel und seine Frau Kunigunde das Lechenicher Mühlenanwesen. Von dem von 1896 bis 1900 von der Familie Oebel als „1.ter Müller“ neben anderen Kräften angestellten Müllermeister Wilhelm Salgert stammen ausführliche Angaben zur damaligen Mühle. Salgert beschrieb nicht nur dezidiert den Mühlenalltag sondern berichtete auch über die vorhandenen technischen Einrichtungen und Abläufe in der Oebelsmühle.
Die Oebelsmühle 1895 mit Pferdefuhrwerk davor. Foto: Wikipedia |
Am Ende des 19. Jahrhunderts nutzte man, wahrscheinlich ergänzend, die neue Technik der Dampfkraft und wurde so unabhängig von den Schwankungen der Wasserstände des Mühlenbaches, die teils künstlich gedrosselt wurden, aber auch wetterbedingt auftraten. Als Antriebskraft nutzte man zu Anfang vorrangig die Kraft des Mühlenbachs durch ein großes, eisernes Wasserrad mit geschlossenem Kranz und Schaufeln. Es folgte später die 1881 entwickelte Technik einer durch einen Flammrohrkessel betriebenen, liegenden 45 PS Dampfmaschine, die zunächst als Reserveantrieb der Mühle eingesetzt wurde. Wasserrad und Dampfmaschine konnten gemeinsam die Hauptantriebswelle antreiben. Diese verlief durch das untere Geschoss der ganzen Mühle und verband mit schweren, breiten Riemen die Maschinen im ersten Stockwerk. Von da aus wurden in gleicher Art eine Antriebswelle des oberen Geschosses angetrieben und setzte so alle benötigten Maschinen mit Hilfe eines schaltbaren Getriebes in Bewegung.
Diesen Zusammenhang erläutert die Schilderung ehemaliger Arbeitsabläufe des Mühlenbetriebs in einem alten, dem heutigen Besitzer des Anwesens vorliegenden, Briefwechsel der Familie Oebel. In einem Briefabschnitt heißt es:
Die Mühle mit ihrer Einrichtung, leistete früher mit Wasser- und Dampfkraft, pro Woche in Tag- und Nachtschicht, von Sonntagnacht 1 Uhr, bis zum nächsten Sonntagmorgen 5 Uhr, 150 Zentner fertige Ware. Im Frühjahr und Sommer waren es weniger (Zentner), da uns dann das Wasser, von Sonntag-Mittag bis Montag- Abend, zur Bewässerung der Wiesen entzogen wurde. Die Dampfkraft benutzten wir dann auch nur in dringenden Fällen.
Aus dieser Zeit stammt der erhaltene Restkamin aus Backstein des ehemals links der Mühlenanlage errichteten Maschinenhauses. Dieser Mühlentechnik folgte im weiteren Verlauf des vorigen Jahrhunderts ein Dieselantrieb.
Aus dem Schriftverkehr lässt sich ferner ersehen, dass das Mühlenpersonal neben Hausangestellten aus einem 1. und einem 2. Müller (wahrscheinlich Meister und Geselle) sowie einem Lehrling bestand. Da die Mühle Tag und Nacht lief, war ein Schichtbetrieb der Belegschaft erforderlich. Dies hieß in der damaligen Praxis:
Die Schicht für uns 2 Müller war, von morgens 8 Uhr bis um 12 Uhr Nachts, 16 Stunden, Tagsüber waren wir also mit 3 Mann, bis Nachmittags 4 Uhr, dann ging der, (der) Nachtschicht hatte, bis um 12 Uhr nachts schlafen.
Das mit Pferdefuhrwerken in Säcken angelieferte zu mahlende Getreide wurde im Mühlenhof mit einem Seilzug in das obere Geschoss der Mühle gehievt. Die dort beginnenden Arbeitsgänge in der Mühle waren teilweise durch herangereifte Maschinentechnik automatisiert worden. Neben dem normalen Walzenschrotstuhl gab es zwei Porzellanstühle für besonders feine Mehle. Es konnte ein Französischer (mittels Quarzsteinen französischer Herkunft aus dem Jura) und ein Deutscher Mahlgang durchgeführt werden. Von einer Reinigungsmaschine mit zwei darunter liegenden zwei „Trieure gelangte das Mahlgut in den Verarbeitungsprozess.
Die Körner liefen zuerst über ein mit starken Magneten ausgestattetes Sandsieb, auf dem etwaige Eisenteile festgehalten wurden. Für die folgenden Arbeitsgänge waren vielfältige Gerätschaften vorhanden. Die beiden „Trieure“ sonderten den dickeren Samen aus, eine Siebmaschine trennte letzte Rückstände, die notwendigen Elevatoren und Transportschnecken sorgten für den Weitergang des Materials in die Bearbeitung, eine Mehlmischmaschine mit Elevator sortierte und lenkte zur entsprechenden Absackschnecke. Über den Abfüllstutzen im Untergeschoss verließ das fertige Produkt die Mühle.
Die Mühle vermahlte zu dieser Zeit Mahlgut in Partien zu je 50 Zentnern in vier Schrotungen, wobei mit der vierten Schrotung die Kleie, Grob- und Feingrieß getrennt abfielen.
1948 schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Mühle an die Firma Auer in Köln (Dort baute Heinrich Auer schon 1850 eine Dampfmühle in Köln-Nippes) verpachtet. Aufgrund der gestiegenen Hygieneansprüche erfolgten durch den Pächter diverse Investitionen, wie die einer neuen Reinigungsmaschine und weiterer Ausstattungen des Mühlenbetriebes. Dieser wurde nun speziell auf das Mahlen von Roggenschrot ausgerichtet. Den Dieselantrieb ersetzte eine weitaus effizientereund sauberere Elektrifizierung der Anlage.
Nach wie vor war der Eigentümer für die verpachteten Gebäude des Anwesens selbst zuständig. Dies belegt eine an die Firma Viktor Oebel gerichtete Baukostenrechnung aus dem Jahr 1950. In dieser wurden von einer Blessemer Bauunternehmung für Mauerwerkarbeiten und das Einziehen einer Betondecke Kosten von DM 3145,80 in Rechnung gestellt.
Der letzte in der Oebelsmühle tätige Müller, Nikolowius, bewirtschaftete von 1960 bis 1972 für die Firma Auer die Lechenicher Mühle. Das in großen Mengen und in kurzen Zeitabständen von der „Rheinischen Waren-Zentrale Lechenich“ (heute das Areal einer Discounterkette) angelieferte Erntegut wurde zur Weiterverarbeitung in Getreidesilos gespeichert. Mit zwei Mitarbeitern verarbeitete sodann der Müller ein durchschnittliches Ernteaufkommen von 100 Tonnen Roggen.
Wahrscheinlich waren damit die Kapazitäten der alten Mühle erschöpft, der Mühlenbetrieb wurde im Jahr 1972 aus Rentabilitätsgründen eingestellt.
Nach einigen Jahren Leerstand der Gebäude verkaufte die Familie ihr traditionsreiches Mühlenanwesen im Jahr 1982 an die Stadt Erftstadt. Noch im gleichen Jahr erwarb es der heutige Besitzer.
Der Innenhof der Mühle. Foto: Wikipedia |
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Links: Der alte Siloturm an deren Stelle sich früher die Wasserräder befanden. Durch den Flusslauf noch gut zu erkennen. Foto: Wikipedia |
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Ein alter Absackbehälter. Foto: Wikipedia |
Transmissionsantrieb. Foto: Wikipedia |
Geschrieben von: Wikipedia
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