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Title: Osten - Motormühle Peter Moje
Author: Jan
Rating 5 of 5 Des:
Baujahr
1909

Gebäudetyp
Erst Getreidespeicher, später Motormühle

Mühlenart
Getreidemühle

Betriebszustand
1968 den gewerblichen Betrieb eingestellt, Einrichtung vollständig erhalten geblieben.

Heutige Nutzung
Technik wird restauriert





Geschrieben von Florian Butt: Osten, ein wunderschönes Kleinstädtchen an der Oste im Landkreis Cuxhaven hatte schon seit jeher eine sehr große und mit noch weltweit in acht Exemplaren vorhandene Rarität: Eine Fährbrücke, die bis 1974 auch regulär betrieben wurde. Sie sollte abgebrochen werden, als man die Umgehungsstraße eröffnet hatte, aber der Wert der Konstruktion wurde rechtzeitig erkannt und somit der Nachwelt als technisches und funktionsfähiges Denkmal erhalten. Viele Jahre später erging es einem weiteren Ostener Bauwerk ähnlich. Es handelt sich hierbei um die ehemalige Motormühle an der Fährstraße, dessen Schicksal ebenfalls besiegelt schien...

Erbaut wurde das Gebäude im Jahre 1909 als Ausspann, also als Getreidespeicher und Umschlagplatz, auch Vieh wurde zeitweise im Gebäude gehalten. Bauherr war der Kaufmann Peter Moje, der schon recht früh den Nutzen der nahegelegenen Oste und den damit verbundenen Vorteilen zur Getreidebeschaffung und -verschiffung erkannt hatte. Er handelte neben Getreide und zugekauften Futtermitteln auch mit Düngemitteln und Kohlen, später kamen noch weitere Brennstoffe und Pflanzenschutzmittel hinzu. Das Geschäft lief sehr gut, da das Vorhandensein eines Wasserweges viele Vorteile mit sich brachte. 

Schon bald dachte Moje über die Möglichkeit nach, eigene Futtermittel und Backschrot herzustellen. Es entstand der Plan zum Einbau einer Mühlenanlage mit zwei Mahlgängen, Reinigung und Mischerei. Das Stromnetz hatte Osten zwar schon im Erbauungsjahr erreicht, aber die geringen Kapazitäten reichten zum Betrieb der Mühle nicht aus, sodass sich der Einbau der Technik zunächst leicht verzögerte. In den 30er Jahren (genauer Zeitpunkt ist leider nicht mehr zu ermitteln) wurde dann endlich der Einbau der Mühlenanlage vollzogen, nachdem man sich sicher war, die Mühle über einen stationären Dieselmotor antreiben zu können. Sämtliche Maschinen stammen von der Maschinenfabrik und Mühlenbauanstalt August Habermann GmbH in Wandsbek. 
Zum Einbau kamen zwei Mahlgänge mit 1,40 Meter Durchmesser, angetrieben von einem formschlüssigen Vorgelege (Winkelgetriebe), eine hölzerne Getreidereinigung, bestehend aus Aspirateur und Trieur, eine stehenden Mischmaschine für 2 Tonnen Schrotgemisch, ein doppelter Annahme- und Reinigungselevator, ein doppelter Schrotelevator, eine Seilwinde für den Sackaufzug, zwei Transmissionen und mehrere Schnecken und Speichersilos. Mit dieser zu dieser Zeit hochmodernen Mühlenanlage konnte Moje seinen Geschäftszweig stetig ausbauen und lieferte seine Mühlenerzeugnisse weit über die Grenzen von Osten hinaus.

Als große Besonderheit in einem solch relativ kleinen Mühlenbetrieb war zeitgleich mit der Mühle eine Druckluft betriebene Getreideheberanlage, wie man sie sonst nur von großen Industriemühlen und Hafenspeichern kannte, errichtet worden. Hierfür lieferte die Firma C. Seeger aus Cannstatt alle nötigen Aggregate, die ebenfalls von August Habermann eingebaut und in Betrieb genommen wurden. Diese Anlage bestand aus einem großen Drehkolbengebläse im Erdgeschoss der Mühle, angetrieben über einen Flachriemen, den man auf die große Scheibe an der liegenden Vorgelegewelle auflegen konnte. Desweiteren gehörten ein Unterdruckbehälter und ein Sammelbehälter mit Schleuse, sowie ein Schlauchfilter und ein Abscheider zu den Installationen innerhalb der Mühle. Von dort aus führte eine ca. 50 Meter lange stählerne Pneumatik, die auf Stelzen überirdisch gelagert wurde, zum Anleger an der Oste. Mit dem Gebläse des Hebers konnte ein Unterdruck erzeugt werden, mit dem das Getreide von den Schiffen gelöscht (gesaugt) und eingelagert werden konnte. Zum Beladen ließ man das Gebläse in die andere Richtung laufen und erzeugte damit einen Überdruck, der das Getreide oder Schrot aus den Zellen oder der Mühle direkt in die Schuten blasen konnte. Hochmodern zu einer Zeit, in der in den Kleinbetrieben noch lange nicht an lose Getreidemengen gedacht wurde, noch war die Sackware dominierend.

Der Saugheber kurz nach seiner Inbetriebnahme. Foto: Florian Butt

Nachdem das Stromnetz innerhalb der Ortschaft verstärkt und erneuert wurde, war nun auch genügend Strom für den Betrieb der Mühle vorhanden. Man reagierte prompt und schaffte sich Ende der 30er Jahre einen 16 PS starken Elektromotor (Schleifringläufer) an, der Dieselmotor wurde daraufhin abgebaut, das Motorhäuschen abgebrochen. Weitere Umbauten sollten folgen: Der pneumatische Getreideheber wurde bis in das Jahr 1951 betrieben, verlor dann aber an Bedeutung, da man sich auf Lieferungen per LKW konzentrierte. Die Rohrleitungen zum Hafen wurden abgebaut. Zur Optimierung der Annahmekapazitäten wurde innerhalb der Mühle eine Schüttgosse errichtet, die nun auch Straßenfahrzeugen das Abladen von losen Getreide ermöglichte.

Aber das allgemeine Mühlensterben machte auch bei dieser Mühle keine Ausnahme, 1968 legte Moje den Betrieb still, das Gewerbe wurde abgemeldet. Ihm fehlte ohnehin ein Nachfolger. Die Mühle und die dazugehörigen Gebäude wurden an einen Privatmann verkauft und über mehrere Jahrzehnte als Lagerraum benutzt. Instandhaltungsarbeiten hat es so gut wie gar nicht gegeben, Wasser drang ein, die Mauern platzten auf und die Balken verfaulten. Dieser Prozess zog sich bis in das Jahr 2008 hin, als man endlich das Gebäude an den Verein "Kulturmühle Osten" verkaufte. Seit dem darauffolgenden Jahr wurde das Gebäude in mehreren aufwendigen Schritten saniert und restauriert. Die komplett erhaltene Mühlentechnik blieb aufgrund der sorgfältigen Sicherungsmaßnahmen, wenn auch nicht betriebsfähig, erhalten. Seitdem finden in regelmäßigen Abständen kulturelle Veranstaltungen und Dorffeste, organisiert durch den Verein, in der Mühle statt, eine Aufarbeitung der Technik und den Verarbeitungsmaschinen ist für die Zukunft geplant. Drücken wir die Daumen, dass wir auch in Osten bald eine "bewegte" Motor-Mühle finden können.

Foto: Florian Butt

Die beiden Mahlgänge. Foto: Florian Butt

Getreidereinigung mit Trieur. Foto: Florian Butt

Mehlmischmaschine. Foto: Florian Butt

Steinboden. Foto: Florian Butt

Steinboden. Foto: Florian Butt

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