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Title: Bremen/Walle - Rolandmühle (und ihre Staubexplosion 1979)
Author: Jan
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Baujahr
1897/1979

Gebäudetyp
Früher Dampfmühle, heute Industriemühle

Mühlenart
Getreidemühle

Betriebszustand
Gewerblich in Betrieb









Geschrieben von Jan Wiedenroth, Imke Molkewehrum: Die Müllergeschichte der Familie Erling beginnt 1832 als Johann Erling die erste eigene Windmühle auf den Bremer Wallanlagen errichten ließ. Die Wallmühle steht hier heute noch. Es folgte 1846 die Stephanitorsmühle, deren oberer Teil 1911 abbrannte; der untere Teil diente noch bis 1930 als Wohnung und wurde erst bei der Erneuerung der Gleisanlagen des Weserbahnhofs abgebrochen. 1882 entstand die Dampfmühle an der Tannenstraße in Vegesack, die 1897 abbrannte.

Nachdem die erste Dampfmühle zerstört war und mit wachsendem wirtschaftlichen Erfolg Windmühlen nicht mehr ausreichten, gründete Carl Erling 1897 eine Aktiengesellschaft und baute am Bremer Holzhafen einen Backsteinbau mit einer Dampfmühle. Sie hatte eine Leistung von 100 Tonnen pro Tag. Der benötigte Weizen wurde mittlerweile aus aller Welt importiert und das Mehl mit Binnenschiffen innerhalb Deutschlands abgesetzt. Für den Überseeexport nutzte man Seeschiffe.

Die Rolandmühle 1910. Foto: Amme, Giesecke & Konegen a.G. Braunschweig

1925 wurde der erste Siloturm nach den Plänen von Carl Heinrich Behrens-Nicolai gebaut und fünf Jahre später kam es zur ersten Übernahme einer anderen Mühle. 1940 wurde ein zweites Silo eingeweiht, so dass die Rolandmühle eine Lagerkapazität von 30.000 Tonnen hatte.

Das erste Getreidesilo der Rolandmühle.

Nach Aufkäufen von Konkurrenzbetrieben wie die Grohner Mühlenwerke und die Hansamühle AG während der Weltwirtschaftskrise wandelte Hans Erling als Vorstandsmitglied die Bremer Rohlandmühle AG 1937 in einen Familienbetrieb um.

Eine Zerstörung der Mühle durch Sprengung auf Veranlassung der Wehrmacht konnte 1945 im Zweiten Weltkrieg verhindert werden.

1966 wurde das damals größte Mehlsilo Europas gebaut.

Anfang der 1970er Jahre brach ein stählerner Getreidesilo der Rolandmühle infolge eines Korrosionsschadens und das ungemahlene Getreide ergoss sich ohne weitere Personen- oder Sachschäden auf die Straße.

Am klirrend kalten Abend des 6. Februar 1979 bahnt sich im Holz- und Fabrikenhafen eine gigantische Katastrophe an: Die Mehlstaub-Explosion in der Rolandmühle an der Emder Straße. Das Unglück nimmt gegen 21 Uhr seinen Lauf und mündet durch die Verkettung unglücklicher Zufälle nur wenige Minuten später in der schwersten Detonation, die Bremen seit Kriegsende erlebt hat. Die traurige Bilanz: 14 Tote, 17 Verletzte und 100 Millionen Mark Sachschaden.

Das Desaster beginnt in der menschenleeren Probenkammer des Wasserspeichers am Hafenbecken. Hier bricht kurz nach 21 Uhr ein kleines Feuer aus – wahrscheinlich verursacht durch einen Kabelbrand in der Radiatorenheizung. Schnell brennt auch die abgehängte Holzdecke. Besonders verhängnisvoll: Über Sackrutsche und Förderband hat der im Keller befindliche Brandherd eine Verbindung zum entlegenen Mehlspeicher. Glutnester verursachen auf dem Weg dorthin mehrere kleine Verpuffungen, wodurch immer wieder Mehlstaub aufgewirbelt wird und weitere kleine Explosionen erfolgen. Im Mehlspeicher wird gerade ein Lastwagen beladen, Mehlstaubwolken hängen in der Halle. Die Katastrophe ist nicht aufzuhalten, das entzündliche Gemisch aus Mehlstaub und Sauerstoff explodiert.

Ein orange-roter Lichtblitz erhellt um 21.24 Uhr die Nacht, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Knall, der bis nach Lilienthal zu hören ist. Mit der Wucht von 20 Tonnen Sprengstoff werden zentnerschwere Steinbrocken durch die Luft geschleudert, etliche Mühlengebäude und angrenzende Bauten fallen in Trümmer. Ein verheerendes Großfeuer wütet. Die gewaltige Druckwelle zerstört im Umkreis von zwei Kilometern zahllose Fensterscheiben.

Der Lastwagenfahrer entkommt dem Inferno, weil er geistesgegenwärtig aufs Gaspedal tritt und mit seinem Fahrzeug das Speichertor durchbricht. Unversehrt bleiben auch die Menschen auf der angrenzenden Cuxhavener Straße. Aufgeschreckte Augen- und Ohrenzeugen vermuten einen Flugzeugabsturz, ein Erdbeben oder eine Bombenexplosion. Über den Feuerwehrruf 112 gehen Meldungen ein: „Der Hafen ist explodiert“, „Kaffee HAG ist in die Luft geflogen“ und „die Rolandmühle ist explodiert“. Polizei und Feuerwehr lösen Großalarm aus.

Das Gelände an der Emder Straße gleicht einem Trümmerfeld. Eine Feuersbrunst verwandelt die Gebäude-Reste in Schutt und Asche. Auch die Ruine des Mühlenturms brennt. Unter den rauchenden Schuttbergen werden etliche Menschen vermutet. Da zum Zeitpunkt der Explosion der Schichtwechsel in der Rolandmühle unmittelbar bevorstand, ist aber unklar, wie viele Personen sich tatsächlich auf dem Gelände befunden haben. Die Polizei befragt Zeugen des Unglücks, um etwaige Aufenthaltsorte der Vermissten einzugrenzen. Wegen der sengenden Hitze und weiterhin bestehender Explosionsgefahr können die Retter zunächst jedoch nur zwölf verletzte Nachtschichtarbeiter bergen.

Gegen 23.30 Uhr trifft die Bundeswehr mit drei Schaufelladern ein, um die Trümmer beiseitezuschaffen. Ohne schweres Räumgerät ist die Suche nach weiteren Opfern unmöglich. Und weitere Explosionen durch aufgewirbeltes Mehl können nicht ausgeschlossen werden. Gegen 0.30 Uhr schießt aus der Amme-Mühle eine 20 bis 30 Meter hohe Stichflamme empor. Die Einsatzkräfte der Berufsfeuerwehr haben das Flammenmeer inzwischen aber unter Kontrolle. Auf der Suche nach Vermissten stoßen die Retter um 2.45 Uhr auf das erste Todesopfer. Stunden vergehen, bevor weitere Leichen geborgen werden können.

Das Ausmaß der baulichen Zerstörung offenbart sich am Tag nach der Katastrophe: Der alte Mehlsilo, die kleine Mühle, die Amme-Mühle und das Verwaltungsgebäude sind vollständig vernichtet. Etliche Gebäude ringsum sind erheblich beschädigt. Und noch immer flackern in unterirdischen Trakten Brände auf. Pro Minute schießt die Feuerwehr immer noch 20000 Liter Löschwasser in die Brandnester. Aber wegen der eisigen Kälte gefriert das Wasser sofort.

Noch bis Ende Februar kommt es während der Löscharbeiten immer wieder zu Verpuffungen mit Stichflammen, im Innern des Mehlsilos brennt es etwa drei Wochen lang. Der Mehlsilo wird ab Mitte März abgerissen, während nebenan der neue Verladesilo in die Höhe wächst. In der Dokumentation von Feuerwehr und Kriminalpolizei heißt es: „Der Einsatz ‚Rolandmühle' endet am 12. April 1979 um 17 Uhr.“
Bei dem Unglück verlieren zwölf Männer und zwei Frauen ihr Leben, darunter auch das Hausmeister-Ehepaar und dessen 29-jährige Tochter sowie ein 24-jähriger Student. Dessen Bruder, ein ehemaliger Mitarbeiter der Rolandmühle, sucht Anfang März in dem noch immer glimmenden vom Einsturz bedrohten Mehlsilo auf eigene Faust nach dem jungen Mann, der nur vorübergehend in der Mühle gejobbt hat. Er wird jedoch nie gefunden.

Für die betroffenen Versicherungsgesellschaften ist die Katastrophe in der Rolandmühle mit 100 Millionen Mark der größte Einzelschaden auf deutschem Boden. Den Hinterbliebenen der Unglücksopfer wird aus einem Firmenfonds finanziell geholfen.




Aufräumarbeiten vier Wochen nach der Explosion.

Während den Abrissarbeiten wurde eine Zelle des Mehlsilos beschädigt und es quollen Mehlschwaden heraus. Um eine weitere Mehlstaubexplosion zu verhindern, setzte man Wasserwerfer ein.

Nach dem schweren Unglück wurde die Rolandmühle wieder aufgebaut und mit modernster Überwachungstechnik ausgestattet.

Heute ist die Mühlenanlage mit modernen Silos ausgestattet, insgesamt verfügt sie über 12 Klein- und drei Großsilos und vermahlt Täglich 800 Tonnen Getreide zu Mehl.

2004 fusionierte das Unternehmen mit zwei kleineren Betrieben. Die drei Familienunternehmen Bremer Rolandmühle Erling, Mills United Hovestadt & Münstermann und Heyl-Mühlen haben sich im Jahr 2004 zum Verbund „Grain Millers“ zusammengeschlossen. Seit Dezember 2013 firmiert der Mühlenverbund unter dem Namen „Roland Mills United“.

Der Walzenboden der Weizenmühle mit Miag HN Stühlen. Dieser Teil der Mühle an der Straße blieb von der Staubexplosion verschont. Foto: Florian Butt

Im vorderen Bereich die neue Mühle mit Mehlsilo. Foto: Jan Wiedenroth

Foto: Jan Wiedenroth

Foto: Florian Butt

Ein Getreideschiff beim Löschen der Ladung. Foto: Florian Butt

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