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Title: Steinhude - Windmühle Paula
Author: Jan
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Baujahr/Ersterwähnung
1670, heutiges Gebäude 1863/1912

Gebäudetyp
Holländerwindmühle

Mühlenart
Getreidemühle

Betriebszustand
1979 den gewerblichen Betrieb eingestellt, Einrichtung erhalten

Heutige Nutzung
Voll funktionsfähige Museumsmühle mit Mahltagen











Die erste Windmühle in der Region wird um 1560 in Sachsenhagen erwähnt. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts gab es im Amte Hagenburg nur die Altenhäger Windmühle. 1662 erließ Graf Philip eine Verordnung, danach bestand Mahlzwang für die herrschaftlichen Mühlen. Die anderen Mühlen, “Klippmühlen“  genannt, durften von nun an nur noch für den Eigentümer einer Mühle und dessen nächste Nachbarn mahlen. 1668 richtete der Rat des Fleckens Steinhude eine Eingabe an den Landesherrn. Sie wünschten eine eigene Mühle. Am 24. August 1670 bekamen sie dieses Privileg. Außer den Stadthäger Bürgern wurde nur den Steinhudern dieses Recht erteilt.

186 Einwohner schlossen sich zusammen und errichteten auf dem „Kaninchenberg“ eine Bockwindmühle mit einem Roggenmahlgang. Es wurde überliefert, dass der Müller den Mühlenbaum in der Osterwoche mit Pferd und Wagen über das zugefrorene Meer nach Steinhude brachte. Der eichene Stamm musste etwa 90 cm im Durchmesser und etwa 10 m lang sein. 1691 machten die Steinhuder dem regierenden Grafen ein sensationelles Angebot. Sie boten ihm 1000 Taler für die Ablösung der jährlichen Steuer von 18 Talern. Der Graf nahm das Angebot an, die Mühle wurde der Aufsicht des Amtes Hagenburg entzogen. Ferner lösten sie auch gleich mit den 1000 Talern ihre Frondienste beim Amt Hagenburg ab.

Wenn im Sommer kein Wind wehte, waren die Steinhuder auf die Wassermühlen in Wunstorf oder Bokeloh angewiesen. Fehlte auch noch das Regenwasser in den Bächen, dann war die Not groß. War man beim Wassermüller nicht gut angeschrieben, konnte der Kunde mit einigen Übernachtungen rechnen. Es wurde erzählt, dass ein Steinhuder vier Tage auf seinen Kornsäcken in der Mühle in Bokeloh auf sein Mehl warten musste.

1834 beantragten die Steinhuder bei der Regierung die Anlegung eines zweiten Mahlganges für die Weizenvermahlung. Der Antrag wurde zugunsten anderer Mühlenbetriebe in der Umgebung abgelehnt.

Die vorherige Bockwindmühle mit der Steinhuder Meerbahn 1897. Foto: Dieter Thiele

1911 zerstörte ein Blitzschlag die Steinhuder Bockwindmühle. 160 Einwohner gründeten daraufhin ein Mühlenkonsortium und kauften 1912 einen 3-stöckigen Erdholländer aus Broitzem im Braunschweigischen (Baujahr 1863, Umbau ca. 1880). Die Umsetzung der Mühle nach Steinhude erfolgte durch die Nienburger Mühlenbaufirma Huischen. Hier wurde sie durch den Einbau zweier neuer Mehlsichtmaschinen und eines Diesel- sowie Elektro-Hilfsmotors modernisiert.

Die neue Holländermühle 1912. Foto: Edeltraud Beyer

1935 bekam Paula ein neues Flügelkreuz. 1945 wurde die durch die Kriegswirren stilliegende Mühle teilweise geplündert. 1946 ging die benachbarte Holländermühle in Großenheidorn in Flammen auf, auch die Steinhuder Mühle hatten Herumtreibende versucht anzustecken.

Die Windmühle mit einem Lastwagen davor. Foto: Wolfgang Schulze

1947/48 konnte die Mühle durch die Firma Huischen wieder aufgebaut werden, wobei sich der dort angestellte Müller und Mühlenbauer Hubert Pare besonders verdient machte.

Durch den Einbau eines Flügelpaares der Conradi-Mühle aus Sachsenhagen, den Einbau eines Getreidesilos, einer Saatgutreinigung mit Beizanlage und kleineren Teilen der abgebrannten Großenheidorner Mühle wurde die Steinhuder Windmühle wieder flott gemacht.

1962 verlor die Mühle bei dem berüchtigten Februarorkan, der auch für die Flutkatastrophe in Hamburg verantwortlich war, drei Flügel. Durch Umschlagen des unwuchtigen Flügelkreuzes sprang die Flügelwelle aus dem Vorderlager und zerstörte das Kappendach. Das auf der Welle befestigte gusseiserne Kammrad zerbrach. Da es inzwischen die Dampfmühle Lange in Steinhude sowie Langhorst und Pinkenburg in Wunstorf gab, war das Interesse der Anteilseigner gering, die Reparaturen zu finanzieren. Das Konsortium wurde aufgelöst, seine Mitglieder verzichteten auf Anteile und Rechte. Daraufhin wurde der “Verein zur Erhaltung der Steinhuder Windmühle e.V.” gegründet. Die Maschinenfabrik Weymann aus Osnabrück goss ein neues Kammrad. Im Februar 1963 wurde der Neubau der Kappe und der Jalousieflügel durch die Firma Huischen beschlossen. Einzelne Teile wurden aus anderen Mühlen (u. a. Mandelsloh) übernommen.

Die 60iger Jahre. Foto: Büsselberg

Ab 1948 wirkte Hubert Pare als Müller in der Steinhuder Windmühle. “Paula”, so wurde die Mühle inzwischen genannt, blieb ein betagtes Frauenzimmer und anfällig gegen vielerlei Widrigkeiten. Obwohl Wind lebenswichtig ist, nimmt sie Böen oder Sturm manchmal auch übel und reagiert mit Verstimmung. Ende der Siebziger sorgten sich die rund 90 Mitglieder des Vereins zur Erhaltung der Steinhuder Windmühle mit ihrem Vorsitzenden Heinrich Kuckuck erneut um ihre Mühle.

Reparaturen am Windrad, am Zahnkranz in der Kappe der Mühle waren gerade abgeschlossen und mit Mühe bezahlt, da versagte bei einem Sturm die Bremse, Kämme an der Flügelwelle gingen entzwei, und die Mühle drehte sich und konnte nur mit Mühe zum Stillstand gebracht werden. Wieder waren Reparaturen fällig. 1979 gibt Hubert Pare den Betrieb der letzten noch voll gewerblich produzierenden Windmühle der Region Hannover/Schaumburg aus gesundheitlichen Gründen auf.

Danach betrieb Manfred Behme, damals Mitarbeiter der Stadt Wunstorf und gelernter Müller, die Steinhuder Windmühle bis 1998 als museales Schauobjekt und stellte mit einer elektrischen Schrotmühle gelegentlich Schrot für Kleintierzüchter und für die Schwarzbrotbäckerei her. Der Windantrieb der Mühle ruhte.

1992 riss ein Orkan erneut einen Flügel ab und rückte die Kappe aus der Drehbahn. Bei zwei weiteren Flügeln zeigten sich Alterungsschäden. 1993/94 erhielt “Paula” mit finanzieller Hilfe des Landes, der Sparkassenstiftung, sowie dem Landkreis, der Klosterkammer Hannover und der Stadt neue Flügel und ein größtenteils neues Mühlenkappendach von der Mühlenbaufirma Pätzmann aus Winsen. In der Folge werden Renovierungsarbeiten an Maschinen, Holzteilen und Fußböden durchgeführt. 

1998 übernahm der Müllerei- und Mühlenbautechniker Windmüller Rüdiger Hagen, der seit 1991 Müller Behme geholfen hatte, die ehrenamtliche Betreuung „Paulas“. Mit ihm begann die Restaurierung der technischen Einrichtung. Reparaturarbeiten an Windantrieb und Bremsanlage erfolgten durch den Mühlenrestaurator Wilhelm Reinhardt, Bruchhausen-Vilsen.

Im Frühjahr des Jahres 2000 konnte Rüdiger Hagen auf den von ihm instand gesetzten und restaurierten Maschinen erstmals wieder einen Posten Weizenmehl mahlen. Die Flügel machten in den Jahren 1999 und 2000 etwa 300.000 Umdrehungen. Die Mühle lief jedoch nicht mehr „rund“, die Windrose drehte die Mühlenkappe nicht mehr in den Wind. Untersuchungen ergaben Risse im Fundament und in einigen Balken, die Mühle hatte sich etwas geneigt. Dieser Zustand führte 2001 zur Stilllegung. 2003 erlitt „Paula“ auch noch Sturmschäden.

Nach langen Verhandlungen konnte im Frühjahr 2004 mit der Sanierung des Mühlengebäudes begonnen werden, die im Mai 2005 abgeschlossen werden konnten. Zur Restaurierung des Innenbereiches werden jedoch noch manche Anstrengungen nötig sein, um die Mühle auch im „Mahlbetrieb“ wieder ganz herzustellen und ein Nutzungskonzept umzusetzen.  

Von den ehemals acht Windmühlen rund um das Steinhuder Meer, die noch zu Beginn unseres Jahrhunderts in Steinhude, Großenheidorn, Altenhagen, Winzlar, Mardorf, Schneeren und zwei in Bergkirchen in Betrieb waren, ist die Steinhuder Mühle die einzige, die noch vollständig mit ihrer technischen Einrichtung erhalten blieb und mit Windkraft mahlen kann. Nach den Mühlen richteten sich früher Fischer und Segler. Der Stand ihrer Flügel nämlich zeigte den Bootsführern die Windrichtung an.

Rüdiger Hagen am wohl ältesten erhaltenen Walzenstuhls Niedersachsens. Foto: Jan Wiedenroth

Der Stein-, bzw. Walzenboden. Foto: Jan Wiedenroth

Geschrieben von: Rüdiger Hagen

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  1. Dieter Goldmann3. Mai 2015 um 20:43

    Ein Windmühlen-Schmuckstück am Steinhuder Meer.
    Ich kann einen Besuch dort nur empfehlen.

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